Ein fiktiver nur an Ostern still und heimlich agierender Vertreter aus der Familie der Leporidae.
Leicht zu erkennen am aufrechten Gang, einem Weiden-Korb auf dem Rücken und je nach aktuellem modischen Trend mit Latzhosen, Jeans oder Shorts bekleidet.
Angeblich ist er derjenige, der die Ostereier bemalt, zusammen mit kleinen Präsenten in hübschen Nestern arrangiert und diese versteckt.
Er ist es, der Horden von Kindern – auch in Zeiten des kurzwegigen Informationsflusses – dazu bringt, am frühen Ostersonntag morgen laut juchzend und kreischend durch die frühlingsfrisch geharkten Beete im heimischen Garten zu rennen, den gerade sprießenden Frühlingsblühern ohne Gnade die Köpfe platt zu trampeln, auf der Suche nach eben diesem Nest.
Liebe Mamma,
lieber Pappa,
ihr habt doch nicht im Ernst gedacht, dass ich euch auch nur eine Sekunde lang geglaubt habe, dass es den Osterhasen wirklich gibt?
Das Christkind habe ich euch so gerade noch abgenommen. Als unumstößlicher Beweis für seine Existenz diente immerhin der von mir in meiner allerschönsten Schrift verfasste Wunschzettel. Auf der äußeren Fensterbank deponiert, sorgsam mit einem Stein befestigt, war der nämlich am nächsten Morgen weg. Mein Zimmer war im zweiten Stock. Da kommt von euch beiden ja keiner so leicht vorbei. Folglich konnte dies ja nur den einen Grund haben: Christkinds Engel fliegen vorbei und sammeln Wunschzettel ein. Weil Engel Flügel haben und keine Dauerwelle, die bei Regen durchschlägt, was sie davon abhalten könnte vor die Türe zu gehen. So wie bei unserer Nachbarin.
Auch konnte ich mir, wenn du mir, liebe Mamma, beim Anblick des winterlichen Abendrotes, verschwörerisch zugeraunt hast: »Das Christkind backt Plätzchen«, ein »Und warum haben wir das trockene Spritzgebäck, dass du gebacken hast, dann immer auf unserem Weihnachtsteller?« instinktiv und so gerade noch verkneifen. Man weiß ja nie. Im Hinterkopf lauerte ja auch immer die finstere, angsteinflößende Gestalt von Knecht Ruprecht. Immerhin hatte ich dieser doofen Petze zu verdanken, dass ich auf mein Fahrrad ein Jahr lang warten musste!
Aber der Osterhase? Nein. Warum bitte schön musste ich immer beim Färben der Ostereier helfen? Und allein die Vorstellung, dass sein Korb, den er auf dem Rücken trägt, mindestens die Ausmaße des Kölner Doms haben musste, um alle Kinder aus meiner Schule mit dem zu versorgen, was er für sie vorgesehen hat, bereitete mir immense Schwierigkeiten. Hätte man dieses Ungetüm von Hase nicht schon Wochen vorher irgendwo am Horizont sehen müssen. Hätte nicht die Erde beben müssen bei jeden Schritt, den er mit seinen riesigen Füßen macht? Und – viel wichtiger – muss er nicht mal aufs Klo? Schon einer seiner komplett überdimensionierten Hasenköttel hätte zumindesten unseren Garten völlig unter sich begraben.
Nichts von dem geschah, was für mich ein eindeutiger Beweis für seine Nichtexistenz war.
Auch der dezente Hinweis darauf, dass er ja nicht alleine unterwegs ist, sondern jede Menge schlecht bezahlte Aushilfs-Osterhasen beschäftigt, konnte mich nicht überzeugen, wurde von mir gar als ziemlich verzweifelter Versuch meine Intelligenz an die einer Eierschale anzugleichen sofort erkannt.
Zumal es ja schon schwierig genug war seinen kleinen Bruder, den gemeinen Feld-, Wald- und Wiesen-Hasen, zu erspähen.
Auch seine goldgewandeten Schokoladenvertreter mit dem roten Band um ihren Hals, an dem immer ein lustiges Glöckchen baumelte, konnten mich auch nicht vom Gegenteil überzeugen. Die haben weder Füße, noch beherrschen sie den aufrechten Gang.
Das Christkind hat Engel, die haben Flügel und eine regentaugliche Frisur.
Der Osterhase hat nichts von alle dem. Folglich gibt es ihn nicht. Basta.
Aber ich wüsste trotzdem immer noch gerne wie Knecht Ruprecht herausbekommen hat, dass ich diejenige war, die die Mülltonne unserer Nachbarin in Brand gesetzt hat und nicht der kettenrauchende Postbote.
Na Frau Weber, heute schon wieder beim Fensterputzen?
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