Nachsalzen

Wer kennt sie nicht. Die Art von Gästen, die sich kurz vor dem Servieren des Essens noch die Kippe ausgedrückt haben und ohne überhaupt zu kosten schon loslegen mit der alles entscheidenden Frage: »Hasse ma’ ’nen Salzstreuer?«

Das gerade noch entspannte Lächeln friert blitzartig ein. 
Die Härchen auf den Unterarmen stellen sich auf, wie die Stacheln eines Igels. 
Die eben noch lockere Körperhaltung erstarrt, wenn auch nur kurz, zur Salzsäule. 
Feine Schweißperlchen auf der Oberlippe ruinieren die Makellosigkeit des sorgsam aufgelegten Lippenstiftes. 
Dem Himmel sei Dank, dass die Beleuchtung gedämpft ist, sonst würde man die Zornesröte, die die Wangen überzieht sofort als solche erkennen und es nicht für etwas zu dick aufgetragenes Rouge halten.

Ja. Habe ich. Da ist heute sogar Salz drin. 
Nur so zur Info: Salz ist ja kein Gewürz, sondern ein Mineral, da solltest du, beim nächsten Gang zum Hausarzt, mal was überprüfen lassen...

Und? Selbstverständlich haben sich die Gäste in diesem Sekundenbruchteil und mit genau dieser Frage als Feinschmecker schlicht und ergreifend disqualifiziert. Weder von gutem Essen, noch von Lebensmitteln und schon garnicht vom Kochen eine Ahnung. Der feine Unterschied zwischen einer Imbissbude und einem guten Restaurant ist nämlich genau der »fehlende Salzstreuer« auf dem Tisch des letzteren. Das ist also das Outing der waren Kostverächters. Es ist nicht lustig mit anzuschauen, wie sie hemmungslos alles was ihnen in die Quere kommt mit Natriumchlorid, jodfrei, ohne Rieselhilfe, selbstverständlich, regelrecht überschütten. Und dann erst kosten. 

»Hast gut gekocht«.
Aha. Ja. Danke. Wie gut das niemand bemerkt, dass meine Nackenhaare sich sträuben und das glitzern in meinen Augen von mühsam zurückgehaltenen Tränen stammt.

Naja, in der Regel sind es auch die, die eine Grün-Gelbe Tüte mit dem Aufdruck eines roten Nachtschattengwächses aufreißen und behaupten, sie kochen Tomatensuppe. 

Die serviere ich dann bei mir demnächst auch. Mit Pommes aus dem Backofen, küchenfertig marinierten Schweinekoteletts und kurzgebratenen Champignons aus der Dose. 
Und ich kaufe mir einen neuen großen Salzstreuer. Der steht dann schon vorher Mitten auf dem Tisch. 

Direkt neben der Ketchupflasche, links.

1 Kommentar:

  1. Ein Eintrag der mir aus der Seele spricht ;-)
    Die ganze Mühe die man sich macht und die Freude dabei.....einfach wie weggeblasen. Nicht Ärgern, nur wundern.

    Liebe Grüsse
    Sonja

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