Ach, die Kreativen

Ich schon wieder. Nach längerer Abwesenheit, aber man stolpert ja nicht unbedingt täglich über Themen, die es lohnen, sich ihnen zu widmen.

Es sei denn – man hat das Pech in die Hände einer Personengruppe zu geraten, die fern von schlichten Gemütern wie dem meinen, ihre Zeit damit verbringt, ebenso schlichte Gemüter, mit gekonnt zusammengestellten redaktionellen Ergüssen, typographischen Headlineorgasmen, amoklaufenden Farben und »spannenden« Bildern zu manipulieren.
Das Ergebnis präsentieren sie stolz in Form von Anzeigen, Plakaten und Werbefilmen.
Zeitweise war diese Spezies – rein äußerlich zumindest – sehr leicht auszumachen. Es galt sich im Stubenfliegenlook oder Begräbnisoutfit zu wanden.

Die Kreativen.

Ich bin, wie schon erwähnt, ein schlichtes Gemüt. Umgebe mich gerne mit den schönen Dingen des Lebens, auf meine Weise. Die ist – das gebe ich zu, eher konventionell, überschaubar, durchschaubar und gradlinig.
Der Handwerker-Aufräum-Ordnungs-Typ eben.
Typographisch exellent geschult, 25 Jahre Berufserfahrung, aber dennoch für diese Personengruppe nicht ausreichend qualifiziert.
Mir fehlt offenkundig der Feingeist, so lautet der Beschluss. Die richtige und »spannende« Auswahl von Fotos für eine Anzeigenserie z.B., birgt nämlich ungeahnte Schwierigkeiten und ist gar nicht mal so einfach, da es sich um keine »normalen« Fotos handeln soll.

Mit anderen Worten: »Sie sind da nicht die richtige Person – weil sie sowieso keine Ahnung haben.« Und normal sein ist unerwünscht. Der Verbraucher ist es auch nicht, da die ganze Welt ein überdachtes Irrenhaus ist, dessen Ansprüchen und Feinsinn es zu genügen gilt. Eben nur nett, kreativ und nicht normal formuliert.

So geschehen gestern. Eine verführerisch leckere Schale mit frischen Oliven in einer »Lebensmittel bewerbenden Anzeige« ist zu normal. Kopulierende Gabeln, umgekippte Rotweingläser, kreisförmig arrangierte Scampis beim Gruppensex müssen herhalten. Das ist es, was den Verbraucher »anmacht«.

Wieder was gelernt fürs Leben. Oder habe ich jemandem beim »sich-selber-feiern« gestört? Auf die nackten Zehen getreten? Nicht laut genug gejubelt?

Hier ist meine Botschaft:
Ich mag ja unkreativ sein, aber nicht unintelligent. Zwischen den Zeilen zu lesen ist eine Fähigkeit, die auch mir gegeben wurde. Unverschämtheiten erkenne ich noch ehe sie zu Ende gedacht sind.

Ich mag normal sein, und die persönlichen und beruflichen Entscheidungen, die ich treffe sind ebenso normal, aber immer mit Rücksicht auf die anderen normalen Menschen. Wir wurden – vielleicht zu eurem Bedauern – noch nicht ausgerottet. 

Das bedeutet im übrigen auch nicht, dass ich gewöhnlich bin – so kann man »normal« nämlich auch deuten.
Wenn dem so wäre hätte ich schlicht und ergreifend verlauten lassen, was mir von anderer Seite empfohlen wurde, ich ziehe Punkte auf meinem »guten Karma-Konto« jedoch vor und bleibe lieb.

Ihr habt Glück, ihr lieben Kreativen: ich nehme es nur gerade mal 24 Stunden persönlich, das man mir bescheinigt, von nicht normaler Visualisierung nichts zu verstehen. Ergo von meinem Job nichts zu verstehen.
Ihr dürft euch weiter feiern und mir mit Anlauf dabei den Rücken runterrutschen und in den eigens dafür arrangierten Rotweinpfützen landen.

Ich goutiere Oliven eben mehr als Gabeln, da ich für erstere letzere nicht benötige.
Spannend finde ich übrigens die Romane von James Ellroy und Hemingways »Tod am Nachmittag«. 

Dumm gelaufen, gell?

1 Kommentar:

  1. Schöne Story, Katharina. Aber da stehen wir drüber, kreativ wie wir sind, nicht wahr?! Was haben wir mit deren Minderwertigkeitsgefühlen zu schaffen...

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